Die Vorteile aktiver Vaterschaft

Fürsorgende Männer sind ein Gewinn für die Gesellschaft!

Erich Lehner beschreibt im folgenden Artikel die Bedeutung der Väter für die Entwicklung von Kindern. Insbesondere auf die Entwicklung von Eigenschaften wie Empathie, soziale Kompetenz, die schulische Leistungsfähigkeit und die Problembewältigungsfähigkeiten habe die Anwesenheit des Vaters eine große Auswirkung. Dabei, so Lehner, habe das Mannsein des Vaters eine untergeordnete Bedeutung. Vor diesem Hintergrund lasse sich erklären, dass Kinder aus Regenbogenfamilien bezw. LGBTQI-Eltern sich in ihren Entwicklungschanchen in keiner Weise von Kindern mit heterosexuellen Elternpaaren unterscheiden würden. Er zitiert einen Bericht der UNO in dem folgende drei Vorteile einer aktiven Vaterschaft hervorgehoben werden:

  1. Als Bindungsgeschehen fördert aktive Vaterschaft die Kinder
  2. Auf der Paarebene trägt sie zu einer besseren Aufteilung der familiären unbezahlten Fürsorgearbeit bei
  3. Aktive Vaterschaft erhöht das Wohlbefinden der Männer

Hier der vollständige Artikel:

Die Vorteile aktiver Vaterschaft

ERICH LEHNER

30. November 2018.

Fürsorgende Männer sind ein Gewinn für die Gesellschaft. Doch es braucht eine aktive Männer- und Väterpolitik

Über die Bedeutung des Vaters lässt sich trefflich streiten. Beklagt wird seine Abwesenheit und im Zusammenhang damit der „Vaterhunger“, der als schwerwiegendes Defizit in der Entwicklungsgeschichte Heranwachsender wahrgenommen wird. Seine Wichtigkeit wie sein Mangel werden oft stark an der Bedeutung seiner Männlichkeit festgemacht.

So betonte schon Sigmund Freud die Bedeutung des Vaters ab der ödipalen Phase, wenn das Kind den Geschlechterunterschied zwischen Mutter und Vater erkennen kann. Bis dahin hält er die Beziehung zur Mutter für bedeutsamer. Hinter dieser Sichtweise steckt die Struktur der bürgerlichen Kleinfamilie, die dem Vater die Versorgung der Familie durch außerhäusliche Erwerbstätigkeit und der Mutter die Ernährung, die emotionale Versorgung und den Schutz des Kindes zuschreibt. Auch heute noch ist diese traditionelle Ansicht präsent, wenn es etwa heißt, dass für ein Kind unter drei Jahren die Mutter am wichtigsten ist.

 

Die Carearbeit des Vaters

Dagegen sieht die moderne Entwicklungspsychologie das „primäre Dreieck“ als basale Beziehungsstruktur an, in der beide Elternteile und das Kind vom Anfang an miteinander verbunden sind. Damit ist einerseits gesagt, dass ein Neugeborenes von Anfang an nicht nur zur leiblichen Mutter, sondern zu mehreren Personen Beziehung aufnehmen kann. Andererseits hat in diesem Beziehungsdreieck auch jede Teilbeziehung — also Mutter/Kind, Vater/Kind, MutterNater — ihre eigenständige Bedeutung und wirkt sich auf die Entwicklung des Kindes aus. Ein Vater ist wichtig von der Empfängnis an und seine Präsenz hat positive Auswirkung auf die Entwicklung von Kindern. „Umfassendes väterliches Engagement,“ so formuliert der Vaterforscher Wassilios Fthenakis, „wirkt sich insbesondere auf die Entwicklung kindlicher Eigenschaften wie Empathie, soziale Kompetenz, schulische Leistungsfähigkeit und Problembewältigungsfertigkeiten aus“.

Worin besteht nun seine Wirkmächtigkeit? Die von Fthenakis angesprochenen positiven Auswirkungen wurden bei Kindern festgestellt, deren Väter 40 Prozent und mehr der alltäglichen Versorgungsarbeit übernommen haben. Die Bindungsqualität zwischen Vätern und Kinder ist ab einem gewissen qualitativen Niveau durch vermehrte Anwesenheit nicht mehr zu steigern. Was jedoch zur Vertiefung der Beziehung beitragen kann, ist die Involvierung in reproduktive und pflegende Tätigkeiten. Je mehr sich also Väter zu Hause engagieren, desto unterstützender werden sie von ihren Kindern wahrgenommen. Schließlich kann als wichtigster Wirkfaktor die Sensitivität von Vätern gesehen werden. Der Sozialisationsforscher Alois Herlth sieht in der Sensitivität der Väter eine Art Schlüsselvariable des Gelingens familialer Beziehungen. Positive Väterlichkeit besteht in ihrem Kern in sensitiver Kommunikation zum Kind und zur Partnerin, sie umfasst dabei konkrete Fürsorge- und Carearbeit ebenso wie sie auch ein gewisses Maß an zeitlicher Verfügbarkeit erfordert.

 

Weitere Bezugsperson

Und welche Bedeutung kommt dabei dem Mannsein des Vaters zu? Nüchtern betrachtet bleibt sie zweitrangig. So lässt sich in den grundlegenden Dimensionen eines Fürsorge- und Erziehungsverhaltens von Müttern und Vätern kein Unterschied erkennen. Unterschiede in den mütterlichen und väterlichen Erziehungsstilen sind als individuelle Ausprägungen der Personen zu werten und liegen nicht in einer unterschiedlichen Wesenheit der Geschlechter begründet. Auch werden Geschlechterrollen nicht einfach durch Erziehung oder durch Prozesse der Identifikation von Eltern auf Kinder übertragen.

Das Erlernen von geschlechtlicher Identität ist als Ergebnis eines Gruppenprozesses anzusehen, in den das Kind sowohl agierend als auch rezipierend eingebunden ist. Die für die Kindheit wichtigsten Bezugsgruppen sind die (größere) Familie, die Peers im Kindergarten, die Schule und in die örtlichen Gemeinschaften, in denen das Kind eingebunden ist. Eltern haben dabei eine herausragende Funktion als begleitende Bezugspersonen. Der wesentliche Wert aktiver Vaterschaft liegt also nicht primär im Geschlecht des Vaters, sondern in der Anwesenheit einer (weiteren) verlässlichen Bezugsperson. In positivem Falle hat ein Kind zwei präsente Elternteile, zu denen es autonome und nahe Beziehungen aufbauen kann.

 

Mangelndes väterliches Engagement

Vor diesem Hintergrund erklärt es sich einerseits, dass Kinder aus Regenbogenfamilien beziehungsweise mit LGBTQI-Eltern sich in ihren positiven Entwicklungschancen in keiner Weise von Kindern mit heterosexuellen Elternpaaren unterscheiden. Wenn andererseits berechtigter Weise eingemahnt wird, dass mangelndes väterliches Engagement, Vaterlosigkeit oder Vaterabwesenheit — so wie die Abwesenheit jedes Elternteils — Kinder in ihrer Entwicklung belasten kann, darf dies nicht vorschnell auf die Männlichkeit des Vaters reduziert werden. Die Ursachen der Belastung können vielfältig sein. Sie können im Fehlen des zweiten Elternteils bestehen, sie können aber auch durch ökonomische Probleme verbunden mit dem emotionalen Stress, die sich für Ein-Eltern-Familien ergeben, hervorgerufen werden. Ebenso kann sich die subjektive Erfahrung des Kindes, von einem Elternteil vernachlässigt zu werden, negativ auswirken oder die Konflikte, die rund um eine

Scheidungssituation auftreten.

Es sind also eher die Folgen schwieriger Lebensumstände, die aus einer Trennung, Abwesenheit oder vernachlässigendem Verhalten folgen, als die fehlende männliche Bezugsperson, die beeinträchtigen. Auch im Fall einer Trennung soll und kann der Vater weiterhin eine positive Bezugsperson darstellen. Ob er dies erfüllen kann, entscheidet sich in erster Linie an seiner Beziehungsfähigkeit. Entscheidend ist, wie sehr er mit seinen Kindern in Beziehung bleibt und wie er mit der Mutter auf der Elternebene konstruktiv zugunsten des Kindes kooperieren kann. Diese Kooperation kann rechtlich gestützt werden, sie ist und bleibt aber in erster Linie eine Herausforderung und Leistung der handelnden Eltern.

 

Männliche Stereotypen überwinden

In ihrem Bericht „State of the VVorld’s fathers“ (2015) hat die Uno drei Vorteile einer aktiven Vaterschaft hervorgehoben: als Bindungsgeschehen fördert sie Kinder. Auf der Paarebene trägt sie zu einer besseren Aufteilung der familiären unbezahlten Fürsorgearbeit bei und unterstützt die Partnerin bei außerhäuslicher Erwerbstätigkeit. Einen dritten wesentlichen Benefit sieht der Bericht für die aktiven Väter selbst. Aktive Vaterschaft erhöht ihr eigenes Wohlbefinden, schenkt ihnen Sinn und Erfüllung und führt zu einem Abbau stereotyper Männlichkeiten.

Die Zahl der Männer, die sich von derartigen Überlegungen motivieren lassen, nimmt zu. In einer eigenen Studie (2010) waren zwei Drittel der Männer bereit, in Karenz zu gehen und drei Viertel waren bereit, zugunsten der Versorgung ihrer Kinder Teilzeitarbeit zu übernehmen. Worin sie schlussendlich dann doch Grenzen sahen, diese Absicht auch tatsächlich umzusetzen, waren die Angst vor Einkommensverlusten und einer möglichen Beeinträchtigung der Karriere. Diese Ängste weisen darauf hin, dass die Art und Weise, wie Männer ihre Vaterschaft leben, nicht ausschließlich ihrem individuellen Gestaltungswillen entspringt, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit gesellschaftlichen Arbeits- und Familienstrukturen und kulturellen Mustern steht.

Um diesen gesellschaftlichen Wirkmechanismen etwas entgegenhalten zu können, ist eine aktive Männer- und Väterpolitik zu forcieren. Gefordert wäre ein Anreiz- und Regelungssystem auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene, das die bekundete männliche Bereitschaft zur Fürsorgearbeit in die Pflicht nimmt, sie unterstützt und auch schützt. Denn fürsorgende Männer können als ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft angesehen werden. (Erich Lehner, 30.11.2018)

 

 

Erich Lehner ist Obmann des Dachverbands der Männerarbeit Österreichs (DMO), Psychoanalytiker sowie im Bereich Männlichkeits- und Geschlechterforschung und Palliative Care am Institut für Palliative Gare und Organisationsethik, IFF-Wen, tätig.

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