Fürsorge, ein Weg zu neuer Männlichkeit
Warum werden in Österreich so viele Frauen ermordet? Und was können Männer dagegen tun?
Österreich ist das einzige Land in der EU, in dem mehr Frauen als Männer ermordet werden. Warum das so ist hat viele Gründe und ist nicht einfach zu erklären. Viele der betroffenen Frauen haben Angst die Polizei rufen, weil sie nicht wissen wie die Polizei reagieren wird.
Gewalt an Frauen ist tief verwurzelt in unserer Gesellschaft und immer wieder wird deutlich, dass es einen Nährboden für Sexismus gibt. Hass gegen Frauen wird toleriert. Es gibt kaum Sanktionen gegen Politiker die Frauen öffentlich diffamieren. Ein Beispiel dafür ist der stellvertretende Tiroler Landeshauptmann der trotz öffentlicher, sexistischer Beschimpfung einer Frau nicht zurücktreten musste. Als Mann möchte ich mich in aller Deutlichkeit von einem solchen Verhalten distanzieren und fordere zum Widerstand gegen jede Form von sexualisierter Gewalt auf. Dieser Widerstand ist z.B. erforderlich, wenn Männer sexistische Witze machen. Ein erster kleiner Schritt ist es, wenn wir aufhören darüber zu lachen und den Mut haben den Sexismus zu entlarven.
Die Häufung von Gewalt der Männer gegen Frauen in Österreich kommt nicht von ungefähr. Ein toxisches Männerbild in unserer Gesellschaft ist wie ein Nährboden für Gewalt. Einige Beispiele dazu:
- eine erhöhte Aggressivität, z.B. im Straßenverkehr
- Tendenz zu gewalttätigem Verhalten
- Kontroll- und Machtausübung, vor allem Frauen gegenüber
- Chauvinismus und Sexismus
- Unfähigkeit, Emotionen und Empathie zu empfinden und auszudrücken
- übertriebenes Konkurrenzdenken
- ausgeprägtes Leistungsdenken
- Mobbingverhalten
- höhere Risikobereitschaft
- Isolation
- psychische Probleme
- Suchtverhalten (Drogen, Alkohol, Sex)
Längst ist bekannt, wie diese, oft über Jahrhunderte tradierten Verhaltensweisen überwunden werden können. Wenn Männer vermehrt Fürsorgeaufgaben übernehmen, dann hat das eine unmittelbare Wirkung auf ihr Selbstverständnis, auf ihre Beziehung zu den Frauen und zu den Kindern. Wenn Männer Fürsorgeaufgaben für ihre Kinder oder ihre alten, pflegebedürftigen Eltern übernehmen, dann erwerben sie, wie Frauen eben auch, empathische Fähigkeiten.
In ihrem Bericht „State of the World’s fathers“ (2015) hat die UNO drei Vorteile einer aktiven Vaterschaft hervorgehoben:
- Aktive Vaterschaft fördert die Kinder.
- Auf der Paarebene trägt sie zu einer besseren Aufteilung der familiären unbezahlten Fürsorgearbeit bei und unterstützt die Partnerin bei außerhäuslicher Erwerbstätigkeit.
- Einen dritten wesentlichen Benefit sieht der Bericht für die aktiven Väter selbst. Aktive Vaterschaft erhöht ihr eigenes Wohlbefinden, schenkt ihnen Sinn und Erfüllung und führt zu einem Abbau stereotyper, toxischer Männlichkeit.
Die Zahl der Männer, die sich von derartigen Überlegungen motivieren lassen, nimmt zu. In einer eigenen Studie (2010) waren zwei Drittel der Männer bereit, in Karenz zu gehen und drei Viertel waren bereit, zugunsten der Versorgung ihrer Kinder Teilzeitarbeit zu übernehmen. Worin sie schlussendlich dann doch Grenzen sahen, diese Absicht auch tatsächlich umzusetzen, waren die Angst vor Einkommensverlusten und einer möglichen Beeinträchtigung der Karriere. Diese Ängste weisen darauf hin, dass die Art und Weise, wie Männer ihre Vaterschaft leben, nicht ausschließlich ihrem individuellen Gestaltungswillen entspringt, sondern in unmittelbarem Zusammenhang mit gesellschaftlichen Arbeits- und Familienstrukturen und kulturellen Mustern steht.
Um diesen gesellschaftlichen Wirkmechanismen etwas entgegenhalten zu können, ist eine aktive Männer- und Väterpolitik zu forcieren. Gefordert wäre ein Anreiz- und Regelungssystem auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene, das die bekundete männliche Bereitschaft zur Fürsorgearbeit in die Pflicht nimmt, sie unterstützt und auch schützt. Denn fürsorgende Männer sind ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft.
Wolfgang Burtscher
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