Leistungsdruck – der Zwang, gut zu sein

Glückliche Kindheit... oder schon übermäßige Leistungsdruc?
Quelle: iStock, RichVintage

Albert A. Feldkircher, Kommentar – Über Leistungsdruck zu schreiben ist gar nicht so einfach. Schnell merke ich: ich muss aufpassen, dass ich mich damit nicht allzu sehr unter Druck setze. Und ich stelle fest, dass wir es mit einem ambivalenten Thema zu tun haben. So möchte ich hier versuchen, die positive wie auch die negative Seite von Leistungsdruck unter die Lupe zu nehmen.

Was ist Leistungsdruck?

Der Duden definiert Leistungsdruck als „psychischen Druck durch Zwang zu hoher Leistung“. Das lässt ableiten, dass – zumindest in unserer westlichen Welt – im Allgemeinen keinerlei physische Gewalt zur Leistung ausgeübt wird. Aber: wie freiwillig ist denn Leistung?

Wo wird Leistungsdruck ausgeübt?

In unserer Gesellschaft: Wir sprechen sogar von einer „Leistungsgesellschaft“. Schon früh erziehen wir die Menschen zur Leistung, benoten sie, lieben oder sanktionieren sie. Und da wir über Lob und Strafe lernen, kapieren wir bald, dass wir über Leistung zum Ziel kommen. Und wenn wir „nicht liefern“ … im Abseits stehen.

In der Schule: unser Schulsystem ist nach wie vor auf Benotung eingestellt. Benotung ist Bewertung. Schüler:innen wie auch Eltern interpretieren sie oft persönlich: „ich bin gut“ oder „ich bin schlecht“. Da kommt bereits der Zwang, gut zu sein.

Wenn mehr als die Hälfte aller Schüler:innen den höchsten Schulabschluss machen, steigt für alle der Druck, es ihnen gleich zu tun. Nur so kann man einen guten Einstieg in das weiterführende Schulwesen bekommen und später Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Schließlich, je größer der Pool an Maturant:innen ist, umso stärker können Unternehmen dies als Grundvoraussetzung für die Einstellung verlangen. Insofern steigt also auch hier der Leistungsdruck an. Denn für ein möglichst komfortables Leben sind wir dazu gezwungen, einen guten Job mit gutem Verdienst zu haben.

Lehrpersonen erleben den Druck in zweierlei Richtung. Sie haben ihren pädagogischen Auftrag. Und sie werden immer mehr mit Erziehungsthemen konfrontier. Dennoch müssen sie den schulischen Raster drüber ziehen und klare Leistungsbeurteilungen machen.

Eltern stehen unter Druck, weil sie ihren Kindern möglichst viel bieten wollen. Der Zwang, gute Eltern zu sein. Die Kids bekommen Nachhilfeunterricht, Klavierstunden, Reitstunden, werden zum Fussball- oder Tennisplatz chauffiert. Es ist oft geradezu ein Konkurrenzverhalten bemerkbar: wer macht mehr? Welche Kinder sind vielseitiger oder erfolgreicher?

Selbstverständlich geht der Leistungsdruck weiter

Am Arbeitsmarkt: Von oben nach unten. Privatunternehmen sind schon allein durch die Globalisierung gezwungen, ökonomischen Erfolg und Gewinne zu erzielen. Großkonzerne sind meist international verflechtet und ihren Aktionären entsprechende Dividenden schuldig. Dazu kommt der verschärfte Wettbewerb. Dies bedeutet automatisch, dass die Mitarbeiter:innen mehr leisten müssen. Und auch unter den Mitarbeiter:innen wird dadurch Konkurrenzdruck erzeugt – teils vom Management durchaus nicht nur geduldet sondern sogar gewollt.

Im Sport: Spitzensport ist heute einem enormen Leistungsdruck unterworfen. Zwischen „ganz oben“ und „vergessen“ ist eine dünne Schicht. Nicht zuletzt, weil enorm viel Geld im Spiel ist.

In Beziehungen: Ich habe den Eindruck, dass der Leistungsgedanke und damit verbundene Druck auch in unsere privaten Beziehungen Einzug gehalten hat. Insbesondere in die Paarbeziehung. Die gegenseitigen Erwartungen sind dort oft sehr überhöht. Die anfänglichen Bemühungen sind groß, es „dem Rest der Welt“ zu beweisen, ein vorbildliches Paar zu sein. Die beste Voraussetzung für ein Beziehungs-Burnout.

Positiv oder negativ?

Der Wille, Leistung zu bringen, ist grundsätzlich positiv. Er hilft uns, über uns selbst hinaus zu wachsen und besser zu werden, gesetzte Ziele zu erreichen. Wie in allem ist das richtige Maß  Und das muss jeder für sich selbst herausfinden.

Leistungsansprüche mit 60+

Menschen, die in ihrem Berufsleben stark unter Leistungsdruck standen, genießen es, diesem Anforderungsdruck nicht mehr ausgesetzt zu sein. Andererseits erfahre ich in der Männerberatung, dass nicht wenige – eben vor allem Männer – mit Pensionseintritt in ein „Loch“ fallen. Vor allem diejenigen, die sich selbst über ihre Leistung definieren. Die ihren Selbstwert daraus beziehen. Das Gefühl, „es nicht mehr zu bringen“, nicht mehr gebraucht zu werden, kann Menschen in Depressionen stürzen. Bei Frauen mitunter, wenn die Kinder das Haus verlassen und das Nest leer wird.

Wie gegensteuern?

  1. Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Prioritäten und setzen Sie Grenzen
  2. Achten Sei auf einen Ausgleich von Geben und Nehmen
  3. Pflegen Sie zwischenmenschliche Beziehungen
  4. Machen Sie sich klar: Liebe hat nichts mit Leistung zu tun! Selbstliebe und die Liebe zu unseren Nächsten sind unser größtes Potenzial. Sie bewahren uns am wirksamsten davor, dem Leistungsdruck ausgeliefert zu sein.

Autor: Albert A. Feldkircher
feldkircher-trainings.com

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