Porsche oder Harley – Midlife-Crisis als Chance

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Das kann doch nicht schon alles gewesen sein! Was wäre wohl aus mir geworden, hätte ich damals die Chance ergriffen?! Kommt noch etwas auf mich zu? Schwere Fragen in einer mehr als schwierigen Lebensphase – nach der Pubertät übrigens der zweiten im Leben eines Menschen: Der Midlife-Crises!

Die Midlife-Crisis trifft jeden

Bei manchen sind die ersten Anzeichen schon in den 30ern zu bemerken, bei anderen kommen sie gar erst mit Mitte 50. Die Statistik pendelt sich bei 46 Jahren ein – doch die Midlife-Crisis kommt auf jeden Fall. Aufgrund des Leistungsdrucks in der Gesellschaft zunehmend früher als später. Bei Einigen in voller Härte, andere spüren sie nahezu gar nicht. Alsdann gibt es Unterschiede zwischen Männer und Frauen! Doch sind in der Regel Männer zwiespältiger davon betroffen, sich die Frage nach dem Sinn ihres Lebens zu stellen. Allerdings ist die Darstellung des Ganzen nicht mehr derart klischeebehaftet, wie es einst zum Ausdruck gebracht wurde. Viele kaufen sich eine Harley zu dieser Zeit des Lebens, da zuvor schlichtweg das Geld fehlte. Und auch Frauen greifen inzwischen in allen Lebensphasen recht häufig auf jüngere Männer als Lebensabschnittsgefährten zurück.

Was ist die Midlife-Crisis?

Der kanadische Psychoanalytiker Elliott Jaques beschrieb die Midlife-Crises erstmals im Jahr 1957. Er bemerkte bei seinen Patienten eine tiefe Unzufriedenheit. Sie drückt sich durch Stimmungsschwankungen, Unsicherheit, Grübeln und auch dem Hinterfragen des bisherigen Lebens aus. Die Verarbeitung des Ganzen zeigt sich bei allen anders: Einige werden depressiv, andere versuchen durch Schönheitsoperationen die Jugend zurückzuholen. Manche versprechen sich durch jüngere Lebensgefährten mehr Kraft und Elan, einige fallen in einen Zustand der Angst. Schliesslich ist die Lebensmitte erreicht. Vieles wurde erwirkt und umgesetzt oder zumindest auf Schiene gebracht, viele Träume verwirklicht. Wartet beim nächsten grossen Zieleinlauf möglicherweise nurmehr der Sensenmann als Zielrichter? Ein Grund für viele, Antworten und Trost in der Religion zu suchen.

Biologisch sind die Sexualhormone dafür verantwortlich: Bei Frauen nimmt der Östrogenspiegel ab – sie kommen in die Wechseljahre. Bei Männern ist es das Minus an Testosteron, das zum Muskelabbau, zur Faltenbildung, zu körperlichen Gebrechen, grauen Haaren und v.a. zum Nachlassen der Potenz führt.

Die grosse Chance

Dabei sollte diese alles andere als erfreuliche Lebensphase genutzt werden. Denn die daraus gemachten Erfahrungen werden entscheidend für die nächster Lebensphase, da dieses Zweifeln auch wieder aufhört. Danach folgt nämlich wieder ein Abschnitt der Zufriedenheit. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von der „U-Kurve des Glücks“. Die emeritierte Honorarprofessorin für Entwicklungspsychologie und systematische Familientherapie an der Universität Bern, Pasqualina Perrig-Chiello, betont in ihrem Buch „In der Lebensmitte – die Entdeckung des mittleren Lebensalters“ (Schwabe Verlagsgruppe AG 2010): „Wie wir in den mittleren Jahren leben, ist entscheidend für gutes Altwerden!“

Glaubt man der Wissenschaft, so ist das Glücksempfinden in der Kindheit und im hohen Alter am stärksten. Wie nun diese emotionale Berg- und Talfahrt der Midlife-Crisis überstanden wird, ist entscheidend für den letzten Abschnitt im Leben eines Menschen. Soll heissen: Je besser ein Mann damit umgeht, desto schneller hat er diese deprimierende Lebensphase überwunden und desto mehr dadurch für sein späteres Leben gewonnen. Was dabei am besten hilft (geistige Fitness, neues Hobby, Sport, Unternehmungen mit Freunden,…) ist individuell unterschiedlich. Auch eine gemeinsame Betrachtung mit Therapeuten und Karriereberatern birgt viel Potenzial. Etwa das „Desillusionieren“! Illusionen gehörten zur ersten Lebenshälfte – in der zweiten haben sie nichts mehr zu suchen.

Es gibt nur zwei Tage im Jahr, an denen man nichts tun kann. Der eine ist Gestern, der andere Morgen. Dies bedeutet, dass heute der richtige Tag zum Lieben, Glauben und in erster Linie zum Leben ist.“ (Dalai Lama)

Den Sinn des Lebens über Jahre hinweg zu suchen, zehrt nur an den Kräften und kostet wertvolle Zeit. Ja – dies kann gar unter Umständen zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Burn Out führen. Besonders anfällig hierfür sind Vertreter des „Self-made-disasters“: Menschen, die Zeit ihres Lebens von einer Krise in die andere schlittern. Besonders sie benötigen neue Perspektiven dieser Krisenkette zu entkommen.

Reden befreit die Seele

Dabei ist auch die Hilfe der Partnerin/des Partners von entscheidender Bedeutung. Schliesslich leidet nicht zuletzt diese Beziehung darunter, wenn beispielsweise mir nichts Dir nichts der unzufriedenstellende Job gekündigt wird. Oder der Autohändler ganze Arbeit abgeliefert hat und das Familienkonto geplündert wurde. Das sexuelle Ausleben („Promiskuität“) durch Affären stellt zudem jede Partnerschaft auf eine harte Probe. Familientherapeuten empfehlen deshalb auf jeden Fall mit der Partnerin/dem Partner offen über die sich stellenden Fragen und Unsicherheiten zu reden. Frauen nutzen hierfür Mutter, Schwester, Freundinnen. Männer sind grundsätzlich partnerzentriert – weshalb sich also nicht auch über die bisherige Lebensbilanz austauschen? Dadurch können viele Fehler vermieden und eine gemeinsame Krisenbewältigung angegangen werden. Für den Partner jedoch gilt es, die eigene emotionale Unabhängigkeit zu wahren und den Partner nicht beeinflussen zu wollen. Denn der zweifelt möglicherweise ohnedies auch an dieser Beziehung – die meisten Scheidungen geschehen übrigens Ende 40! 

Autor: Ulrich Stock
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