Nehmt Ihnen das Steuer weg …

Seit ich in meinem Alltag immer mehr vom Auto auf das Fahrrad umgestiegen bin, habe ich mir die Frage gestellt, warum die Verkehrsflächen so ungleich verteilt sind.  Ich habe als schwacher Verkehrsteilnehmer eine Diskriminierung wahrgenommen, die mir als Autofahrer so nicht aufgefallen ist. Für Fahrradfahrer und Fußgänger stehen oft nur schmale Wege zur Verfügung, die meistens nur durch einen gemalten Streifen von der übrigen Verkehrsfläche getrennt sind. Meistens befinden sich auf den Fahrradwegen noch Schächte über die ich mehr oder weniger rau darüber holpern muss.  Die Straße ist großzügig für die einen, aber gnadenlos für die anderen. Wenn ich von einem LKW überholt werde überkommt mich manchmal richtig Angst. Oft sind es nur wenige Zentimeter die mich von diesem mächtigen Ungetüm trennen. Konflikte mit Autofahrern verbaler und körperlicher Natur haben mir das schmerzhaft vor Augen geführt. Aber was hat das alles mit Männlichkeit und Rollenbildern zu tun?

Männer mögen es, Großes zu bewegen, Bierkästen zum Beispiel, Gewichte oder große Fahrzeuge. Am besten Dinge, die größer sind als sie selbst, z.B. Autos. Echte Männer bilden eine Symbiose mit ihrem Fahrzeug, da kann es vorkommen, dass sie die Kraft des Gaspedals mit ihrer eigenen Kraft verwechseln. Das merkt man auch daran, dass die Autos mit dem Alter ihrer Insassen wachsen. Der Porsche Cayenne etwa sieht aus wie ein Bobby Car, das man so lange aufgeblasen hat, bis es kurz davor war, zu platzen.

Früher, als Männer noch auf die Jagd gingen, mussten sie schnell rennen und den Speer zielgenau schleudern. Davon hingen das eigene und das Überleben der ganzen Sippe ab. Heute haben jene Männer einen Vorteil, deren Wirbelsäulen so krumm sind wie die Schalensitze ihrer Sportwagen. Manche unter ihnen hat die Evolution mit Bleifüßen bedacht.

Als Fahrradfahrer nehme ich die Dominanz der Autofahrer wahr, wenn sie mir den Vorrang wegnehmen, mich zur Seite drängen und ich, allein durch meine Verletzlichkeit, zu spüren bekomme, dass ich der schwächere Verkehrsteilnehmer bin. Manche bringen in aller Deutlichkeit zum Ausdruck, dass ich mit meinem Fahrrad von der Straße verschwinden solle, da ich ihrem ungehinderten Fortkommen im Weg stehe. Verkehr ist ein Abbild der Gesellschaft. Sich darin zu bewegen, ohne anzuecken, eine Kunst.

Man lernt sie vom Fahrlehrer, weshalb er zu den prägenden Figuren im Leben eines Mannes gehört. Das Fahren Lernen ist immer auch ein Initiationsritus. Das erste Mal Autobahn zum Beispiel: beschleunigen im dritten Gang, blinken, Lücke suchen, Schulterblick, rüberziehen. Die Kontrolle über einen Haufen Pferde zu übernehmen, die im Gleichschritt losstürmen, nur weil man den Fuß senkt. Dieses abgründige Dröhnen. Du kannst ein Leben lang trainieren, dich vom teuren Personaltrainer anbrüllen lassen und die illegalsten Steroide schlucken: Gegen diese Maschine ziehst du den Kürzeren.

Männer wollen unabhängig sein. Ein Auto macht unabhängig. Es ist ein Faradayscher Käfig, auch im übertragenen Sinn, ein privater Raum. Man muss das Auto als rollenden Vorgarten begreifen, in dem man machen kann, was man will. Vielleicht nicht unbedingt grillen, aber sonst fast alles, solange das Gesicht Richtung Windschutzscheibe zeigt.

Ich möchte keinen Mann beschämen, aber es sind nunmal 62 Prozent der Autos auf Männer zugelassen. Und Studien belegen, dass Männer im Schnitt mehr als doppelt so viel mit dem Auto (täglich 29 Kilometer, Frauen 14 Kilometer) fahren wie Frauen. Schon junge Männer fahren deutlich mehr Auto, am extremsten ist der Unterschied unter den 50 – bis 59 jährigen. Wenn Frauen das Auto benutzen, dann fahren sie eher mit, auf dem Beifahrer- oder Rücksitz.

Wieso ist das alles so?
Dass sich die Geschlechter unterschiedlich bewegen, dass die Mobilitätschancen ungleich sind, das hat mit dominanten, toxischen Bildern von Männlichkeit zu tun.  In den Fünfzigerjahren wurde ein Wirtschaftsmodell lanciert, das die Kleinfamilie ins Zentrum stellte. Das Modell sah einen Ernährer vor der der Erwerbsarbeit nachging und Zugang bekam zum öffentlichen Raum. Die Hausarbeit wurde den Frauen zugewiesen, die für die unbezahlte Reproduktionsarbeit verantwortlich waren. Männer verdienten also das Geld, und ihnen baute man Autos Straßen und Parkplätze, damit sie möglichst schnell voran kamen. Frauen sollten sich um Haushalt und Familie kümmern, für sie war es nicht vorgesehen überhaupt mobil zu sein. Wenn sie einkaufen oder die Kinder zum Arzt bringen mussten, dann war das kein besonderes städtebauliches Anliegen. Diese Arbeit brachte kein Geld. Es gab deshalb keinen wirtschaftlichen Anreiz ihre Situation zu verbessern.

Diesen Trend , die Automobilität zu verbessern und nicht die Mobilität aller Menschen, ist auch heute, 70 Jahre später, in der Verkehrsplanung zu beobachten. Wenn sie einen Moment ganz ruhig sind, dann hören sie bereits die Tunnelbohrmaschinen für die Tunnelspinne hier in Feldkirch. Verkehrs- und Städteplanung ist immer noch männlich dominiert. Dem Grünen Landesrat Rauch, aufgrund der Zustimmung zur Feldkircher Tunnelspinne wieder gut in der Landesregierung gelandet, stehen in ganz Vorarlberg pro Jahr 3 Millionen € für den Ausbau von Fuß- und Radwegen zur Verfügung ein lächerlicher Betrag im Vergleich zur Tunnelspinne die mit 253 Millionen beziffert wird.

  • Vielleicht fragen sie sich wie die Lösung dieses Dilemmas aussieht?
    Es sollten doch alle auf Autos umsteigen – in Anbetracht der Klimakrise wohl keine fortschrittliche Option.
  • Fahrradhelme, grelle Warnwesten und Atemschutzmasken für Fahrradfahrer sind wohl gut gemeinte Ratschläge aber keine nachhaltigen Lösungen.

Anstelle sich weiter auf das Auto zu fixeren braucht es Mobilitätskonzepte ohne Autos. Das kommt letztlich allen Menschen zugute. Jede Stadt, die versucht, den Autoverkehr zurückzudrängen, denkt automatisch auch geschlechtergerecht. Städte sind bei uns auf Autos optimiert und Autos auf männliche Bedürfnisse.

 

Petra Pinzler hat sich in ihrer Kolumne Nehmt ihnen das Steuer weg … Gedanken gemacht wie dieses Dilemma gelöst werden kann.

 

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